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Innovation

Pflanzenzüchtung für eine
nachhaltige Landwirtschaft

Foto: Innovation

Grundlagen

Pflanzenzüchtung für eine nachhaltige Landwirtschaft

Innovationstreiber von KWS ist unsere Forschung & Entwicklung. Leistungsfähige Sorten zu entwickeln, die unterschiedlichen Umwelt- und Nutzungsanforderungen gerecht werden und dem Landwirt einen kontinuierlichen Mehrwert bieten, ist das Ziel von KWS. Pflanzenzüchtung ist ein sehr forschungsintensives und langfristiges Geschäft. Die durchschnittliche Entwicklung einer neuen leistungsfähigen Sorte nimmt im Durchschnitt acht bis zehn Jahre in Anspruch.

Mit modernsten Züchtungsmethoden generiert KWS seit Jahrzehnten einen stetigen Ertragsfortschritt und unterstützt die Landwirtschaft mit Lösungen für künftige Herausforderungen – zum Beispiel durch Sorten mit verbesserter Trockentoleranz oder geringerem Bedarf an Pflanzenschutzmitteln. Durch die züchterische Bearbeitung der Pflanzen erweitert das Unternehmen die genetische Diversität, die elementar für die Verbesserung von Kulturpflanzen ist. Durch die kontinuierliche Verbesserung der Ertragsleistung, die Minimierung des Ressourceneinsatzes und die Steigerung der Sortenvielfalt tragen wir zu einer nachhaltigen Landwirtschaft bei und haben einen wichtigen Anteil an der Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln.

F&E Bericht

Züchtung von Low-Input-Sorten für eine nachhaltige Landwirtschaft

Eines der zentralen Ziele der „Farm to Fork“-Strategie im Rahmen des „European Green Deal“ der Europäischen Union ist es, den chemischen Pflanzenschutz in Europa bis 2030 um 50 % und den Einsatz von Düngemitteln um 20 % zu reduzieren. Als Saatgutspezialist übersetzen wir diese Anforderungen an die Landwirtschaft in die Züchtung neuer Sorten, die Nährstoffe effizienter aufnehmen oder auch resistenter oder toleranter gegenüber Krankheiten und anderen Umwelteinflüssen sind. Mehr als ein Viertel unseres Sortenportfolios soll bis 2030 aus sogenannten Low-Input-Sorten bestehen – also Sorten, die auch bei geringer Nährstoffzufuhr oder reduziertem Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel stabile Erträge liefern.

Dafür baut KWS unter anderem stabile Prüfsysteme zur Ermittlung von Krankheits- und Fraßschäden an unseren Kulturarten auf. Prüfsysteme dieser Art sind eine wichtige Voraussetzung, um die Genetik unserer Pflanzen auf Toleranzen oder Resistenzen gegenüber Krankheiten und Schaderregern verlässlich testen zu können. Die Entwicklung ist mit einem hohen Forschungsaufwand verbunden, da die Testsysteme an die individuellen Lebensbedingungen der Schaderreger angepasst sein müssen. Mittlerweile kann KWS auf über 40 Prüfsysteme für die Resistenzzüchtung zurückgreifen: Gegenwärtig ist eine weitere Testplattform für den Rapserdfloh in der Entwicklung – ein wichtiger Schritt für die Züchtung von Rapssorten, die gegen diesen bedeutenden Schaderreger tolerant sind.

Um die Entwicklung trockentoleranter Sorten voranzubringen, setzen wir auf Technologien zur Analyse und Messung pflanzlicher Merkmale und bauen diese kontinuierlich aus. Mit der etwa 470 Quadratmeter großen „PhenoFactory“ hat KWS ein vollautomatisches System zur Phänotypisierung im Gewächshaus entwickelt. Anhand von Kameras und Sensoren kann das System 25 verschiedene Merkmalsausprägungen wie zum Beispiel Blattfeuchte oder Wasserverbrauch messen. Damit sind wir unter anderem in der Lage, die
Wassernutzungseffizienz der Pflanzen zu bestimmen – ein wichtiger Parameter, um zu ermitteln, wie eine Pflanze auf Trockenheit reagiert.

Foto: Mit einem ausgeklügelten System zur Phänotypisierung von Mais- und Rübenpflanzen erforscht KWS das komplexe Merkmal Trockenstress.
Mit einem ausgeklügelten System zur Phänotypisierung von Mais- und Rübenpflanzen erforscht KWS das komplexe Merkmal Trockenstress.

Gemüse: Erweiterung der Laborkapazitäten, Einsatz neuer Saatguttechnologie, Entwicklung hitzetoleranter Buschbohnen

Im Februar 2023 haben wir am Sitz unserer Business Unit Gemüse im niederländischen Wageningen neue Forschungseinrichtungen eingeweiht.Die knapp 450 Quadratmeter großen Räumlichkeiten bieten Platz für Laborflächen und Kulturräume für die Pflanzenanzucht. Die Erweiterung der Laborkapazitäten ist ein wichtiger Schritt im Hinblick auf Geschwindigkeit und Qualität bei der Entwicklung neuer Gemüsesorten. Dabei liegt der Fokus auf der Erzeugung von sogenannten Doppelhaploiden für die Hybridzüchtung von Gurken und Paprika. Mit dieser Methode kann KWS schneller auf steigende Anforderungen in Bezug auf Qualität, Geschmack, Krankheitsresistenz und Ertragsstabilität reagieren, da der Züchtungsprozess deutlich beschleunigt wird.

KWS INITIO ist eine neue Technologie für Saatgutbehandlung, die bislang nur bei ackerbaulichen Kulturarten zum Einsatz kam. Als Synergie zwischen den Kulturarten kann nun Gemüsesaatgut von dieser Entwicklung profitieren. Dank einer Nährstoffbeize bilden die Keimlinge schneller mehr Wurzeln und können die im Boden zur Verfügung stehenden Ressourcen besser aufnehmen. Diese Pflanzen sind aufgrund der intensiveren Wurzelbildung auch in der späteren Entwicklung in der Lage, bei Stress wie Nährstoffmangel oder Trockenheit mit höherer Widerstandskraft zu reagieren. KWS bietet in Europa und der Türkei seit Januar 2023 KWS INITIO für Bohnensaatgut und Spinatsaatgut an.


Hitzeperioden sorgen beim Anbau von Buschbohnen regional für Probleme. Wenn die Nachttemperaturen während der Blütezeit nicht unter 20 °C fallen, haben die Hülsen eine schlechtere Qualität und die Pflanzen dadurch einen geringeren Ertrag. Innerhalb von rund 15 Jahren haben wir hitzetolerante Bohnensorten – unsere „Magma Collection“ – gezüchtet, die den Anbauern auch bei hohen Nachttemperaturen sichere Erträge liefern. Zunächst wurden die hitzetoleranten Bohnen erfolgreich in den USA eingeführt, weiteres Marktpotenzial sehen wir auch in Italien und Nordwesteuropa.

Foto:Hitzetolerante Bohnen unserer „Magma Collection“ bieten auch bei hohen Nachttemperaturen stabile Erträge.
Hitzetolerante Bohnen unserer „Magma Collection“ bieten auch bei hohen Nachttemperaturen stabile Erträge.

Zuckerrüben: Entwicklung toleranter und resistenter Sorten immer wichtiger

Bei der Züchtung von Zuckerrüben spielt neben der Sicherung und Steigerung des Ertrags die Entwicklung von Sorten, die zusätzlich Resistenzen bzw. Toleranzen gegenüber Schaderregern aufweisen, eine immer wichtigere Rolle. Schaderreger breiten sich – zum Teil bedingt durch den Klimawandel – immer weiter in den Anbaugebieten aus und reduzieren die Erträge der Landwirte erheblich.

Eine relativ neue Zuckerrübenkrankheit ist „Syndrome Basses Richesses“ (SBR), die insbesondere in Deutschland und der Schweiz an Bedeutung gewinnt und zum Teil erhebliche Ertragsverluste verursacht. Die Krankheit wird durch Erreger ausgelöst, die von der Schilf-Glasflügelzikade übertragen werden. Derzeit sind keine effizienten chemischen oder ackerbaulichen Maßnahmen zur Bekämpfung von SBR bekannt. 

Die Krankheit führt zu drastisch verringerten Zuckergehalten und geringeren Rübenerträgen von bis zu 25 %. KWS hat umgehend mit dem Aufbau von Testsystemen reagiert, um die Entwicklung angepasster Sorten gezielt vorantreiben zu können. Mit der Sorte JOSEPHINA KWS wurde im Jahr 2022 eine erste Zulassung mit guten Ertrags-werten unter SBR-Befall erreicht. Weitere Sortenkandidaten mit sehr guter Eignung für SBR-Befallsgebiete befinden sich in den offiziellen Zulassungsverfahren in Deutschland und der Schweiz. Darüber hinaus arbeiten wir fortlaufend an der Identifizierung und Einkreuzung weiterer Resistenzmerkmale, um die Toleranz unserer KWS Zuckerrübensorten gegenüber SBR weiter zu verbessern.

Foto: Krankheitsresistente Sorten sichern Erträge im Zuckerrübenanbau.
Krankheitsresistente Sorten sichern Erträge im Zuckerrübenanbau.

Mais: Vielfalt genetischer Ressourcen als wesentlicher Erfolgsfaktor

Genetische Vielfalt ist die wichtigste Voraussetzung, neue Sorten zu züchten und an unterschiedliche Umweltbedingungen anpassen zu können. Durch die seit den 1950er Jahren betriebene Maiszüchtung hat KWS eine große Diversität an eigenem Züchtungsmaterial für verschiedene Märkte aufgebaut. Diese genetische Vielfalt wurde im Jahr 2012 mit dem Einstieg in die Züchtung für den tropischen und subtropischen Markt in Brasilien noch einmal deutlich erweitert.

Damit steht unseren Züchtern ein immer größerer Pool genetischer Ressourcen zur Verfügung, um die Züchtungsprogramme für unterschiedliche Märkte zu ergänzen. Wir züchten die Kulturart Mais, die eine ausgeprägte lokale Anpassungsfähigkeit aufweist, in verschiedenen klimatischen Regionen. Beispielsweise unterhalten wir Züchtungsprogramme in Deutschland, Frankreich, Italien und Südosteuropa. Für die Märkte in Südosteuropa muss der Mais an trockene Anbaubedingungen angepasst sein. Hier konnten wir in der Sortenentwicklung auf die breite Diversität des in Frankreich aufgebauten Züchtungsmaterials zurückgreifen und dieses für die Produktentwicklung in Südosteuropa nutzen. 

Durch konsequente Selektion unter Trockenstressbedingungen konnten wir mit KWS BANATO und KWS FASCINATO Sorten entwickeln (Zulassung: Frühjahr 2023), die in Bezug auf Trockenstress in diesem wichtigen Markt führende Positionen einnehmen.

Foto:Maisanbau in Südosteuropa: Mit angepassten Sorten gegen Trockenstress.
Maisanbau in Südosteuropa: Mit angepassten Sorten gegen Trockenstress.

Gerste: erstmals Hybridsorten in Zulassungsverfahren

Im Rahmen der Forschungsstrategie startete KWS 2016 ein Programm zur Entwicklung von Hybridgerste. Die Hybridzüchtung ist eine besondere Form der Sortenentwicklung. Bei ihr werden zwei reinerbige Linien miteinander gekreuzt. Die Nachkommen werden als Hybride bezeichnet und zeichnen sich in der Regel durch eine erhöhte Leistungsfähigkeit und Widerstandskraft aus. Diesen Effekt nutzen wir jetzt auch bei der Gerste. Die Hybride bieten dem Landwirt den Vorteil einer stabilen Entwicklung durch bessere Anpassungsfähigkeit – zum Beispiel auch in trockenen Jahren – und damit einer erhöhten Absicherung der Erträge. Zudem erleichtert die Hybridgerste dank ihrer schnellen Jugendentwicklung das Unkrautmanagement.

Im vergangenen Geschäftsjahr haben wir bei der Entwicklung von Hybridgerste einen wichtigen Meilenstein erreicht: Im Herbst 2022 wurden die ersten Sortenkandidaten in Großbritannien und Deutschland zur Zulassung angemeldet. Weitere Sorten sind in der Entwicklung und werden im Herbst 2023 in die Zulassungsverfahren eingereicht. Die Kernmärkte für Hybridgerste liegen in Großbritannien, Deutschland und Frankreich.

Foto: Höhere Leistungsfähigkeit und Widerstandskraft: neue KWS Sorten für Wintergerste im Zulassungsverfahren.
Höhere Leistungsfähigkeit und Widerstandskraft: neue KWS Sorten für Wintergerste im Zulassungsverfahren.

Sonnenblumen: zehn neue Sorten im Anmeldeverfahren

Im Jahr 2010 hat KWS die strategische Entscheidung getroffen, das Kulturartenportfolio um Sonnenblumen zu erweitern, da diese Pflanze insbesondere für die Ölgewinnung eine große Rolle spielt. 

Ziel ist es, basierend auf einem eigenen Züchtungsprogramm wettbewerbsfähige Sorten für die Märkte in Südost- und Osteuropa zu entwickeln. Auf einer Fläche von mehr als 20 Millionen Hektar wird die Sonnenblume in diesen Regionen angebaut und spielt damit eine wichtige Rolle in der Fruchtfolge. Die Pflanze wird künftig auch vor dem Hintergrund des Klimawandels an Bedeutung gewinnen: Das Wurzelsystem der Sonnenblume befähigt die Pflanze, besonders gut mit Dürresituationen umzugehen.

Foto: Sonnenblumen spielen eine wichtige Rolle für die Ölgewinnung und in der landwirtschaftlichen Fruchtfolge.
Sonnenblumen spielen eine wichtige Rolle für die Ölgewinnung und in der landwirtschaftlichen Fruchtfolge.

F&E Ausgaben

Investition in die Zukunft

Um langfristig erfolgreich zu sein, bedarf es kontinuierlicher und intensiver Forschungsarbeit. Acht bis zehn Jahre dauert es, bis eine neue Sorte zugelassen wird und auf den Markt kommt. Im Geschäftsjahr 2022/2023 haben wir 314,2 Mio. € in Forschung und Entwicklung von leistungsstarkem und widerstandsfähigem Saatgut investiert.

Foto: F&E Aufwendungen im  Geschäftsjahr 2022 | 2023 in Mio.
Foto: Ausgaben für F&E in Mio. €